--
Sound
im
UX Design

Alles was du über UX Sounds wissen musst

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01

Was ist UX Sound?
Allgemeines & Intro

02

Brauch ich Sound?
Wann & Wann nicht

03

Konzept ist König
Methodik & Konzeption

04

Bumm! Clack! Bling!
Sprechen & Nachmachen

07

Die Sprache der Marke
Designsystem & Branding

08

Musik aus, ich will einparken!
Wahrnehmung & Aufmerksamkeit

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Was
ist
UX
Sound?

01.1

Intro

Es ist ganz einfach: UX Sounds beschreiben alle Sounds, die ein Produkt „macht“. Also vom Tastenton einer Mikrowelle über Notification einer App bis hin zum Piepsen eines Rauchmelders. Hierzu zählen alle Geräusche, mit denen der Benutzer innerhalb seiner User Journey in Kontakt kommt. All diese Sounds sind die „Stimme“ des Produkts und sollten nicht dem Zufall überlassen werden.
Halten wir einmal fest welche Arten von Sounddesign es im UX Bereich gibt und wo diese primär vorkommen.

01.2

Auditive Interfaces

Am relevantesten ist Sound für die User Experience bei ausschließlich auditiven Interfaces. Das bedeutet, die gesamte Kommunikation mit einem Produkt geschieht über Sound. Hierbei kann man noch einmal unterscheiden zwischen einseitiger und zweiseitiger Kommunikation. Einen Bluetooth Lautsprecher zum Beispiel bedient man in der Regel mit Tasten und er „antwortet“ mit Feedback-Sounds (einseitiges auditives Interface). Bei einem Home Assistant allerdings, interagiert man mit der eigenen Sprache. Durch das Wegfallen von taktilen und visuellen Reizen kommt es zu einem ausschließlich hörbaren Dialog aus Sprache und Sound (zweiseitiges auditives Interface).

Apple HomePod Sounds

01.3

Visuelle Interfaces

Nicht jedes Gerät verfügt über ein Voice-Interface. Die weitaus verbreitetere Interaktionsgrundlage sind immer noch „normale“ Bedienelemente wie Buttons oder ein Touchscreen. So fallen unter diesen Typ von UX Sounddesign Klänge, die ein visuelles oder haptisches Interface unterstützen und erweitern. Durch dezente Sounds können Funktionen erläutert und Abläufe erklärt werden. Insgesamt führt präzises Sounddesign zu einer immersiven Experience. Durch gezieltes Platzieren von Feedback-Sounds innerhalb der User Journey gibt man dem Benutzer Sicherheit und schafft einen vertrauten Dialog.

iPhone UI Sounds

01.4

Mechanisches Sounddesign

Passiert man die Grenzen des Screendesigns, wird schnell klar, dass nicht jedes Produkt von Natur aus so schön leise funktioniert, wie eine Website. Das Designen von mechanischen Sounds erlangt immer größere Aufmerksamkeit. Dies betrifft nicht nur Geräte wie Föhns und Staubsauger sondern alles, womit der User physisch interagiert. Welches Geräusch macht ein Knopf oder ein Schalter? Für ein konsistentes und durchdachtes Soundkonzept ist jedes Detail wichtig, das der User im Umgang mit dem Produkt hören kann.

Staubsauger

01.5

Kontextuelles Sounddesign

Ein weiteres, oft vernachlässigtes Thema, ist das kontextuelle Sounddesign. Wie klingt eine Umgebung oder ein Raum? Welche Klänge prasseln beispielsweise in einem Krankenhaus ununterbrochen auf das Personal und die Patienten*Innen ein? Durch die Überlagerung ganz vieler Werke von verschiedenen Sounddesigner*Innen, kann es zum Beispiel in einer Bahnhofshalle sehr laut und unübersichtlich werden. Es ist also sinnvoll schon im Designprozess die „Soundlandschaften“ der echten Welt mitzubedenken. Es ist wichtig, sich im Vorhinein zu überlegen, wo das Produkt voraussichtlich stattfindet. Architektonische Gegebenheiten eines Gebäudes oder Produktes können hier einen großen Einfluss auf das akustische Erlebnis haben.

Beatmungsgerät im Krankenhaus

01.6

Zusammenfassung

Wer also so sagt, er habe als UX Designer*In nichts mit Sound zu tun liegt falsch. In den hier genannten Szenarien ist es wichtig, im Designprozess die Soundkomponenten von Anfang an in Betracht zu ziehen und positiv für sich nutzen zu lernen. Sounddesign ist also immer eine Überlegung wert, auch, wenn die daraus folgende Entscheidung ist, dass das Produkt „leise“ sein soll und keine zusätzlichen Sounds braucht.

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Brauch ich Sound?

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Brauch
ich
Sound?

02.1

Intro

Braucht mein Produkt oder Service Sounddesign?
Noch vor Prototyping und einer Zielgruppenanalyse ergattert sich Sounddesign leider nach wie vor den ersten Platz, der am meisten vernachlässigten Designbereiche. Diese Website will das ändern.
Es folgt eine Hands-on Liste mit Usecases, die eine hervorragende Möglichkeit bieten, Sounddesign in Betracht zu ziehen. Wichtig ist hierbei, die gesamte User Journey im Auge zu behalten. Einerseits um das Produkt nicht mit Sounds zu überladen, andererseits um keine möglichen Anwendungsbereiche zu übersehen.

02.2

1. Kurze Nachrichten

Beispiel: „Clack!“ – Ein Button wurde geklickt
Kurze und einfache Nachrichten an den User bieten sich besonders gut an, mit Sound zu untermalen. Sie erfordern keine große kognitive Verarbeitung und werden meist unterbewusst wahrgenommen. Klanglich verstärkte Microinteractions geben dem User ein angenehmes Feedback über seine Eingabe.

Success Sounds

02.3

2. Zeitliches Event

Beispiel: „Bling!“ – Der Kuchen ist fertig
Sounds eignen sich hervorragend für zeitbasierte Benachrichtigungen. Sie können verhindern, dass der User das Gefühl hat, auf etwas warten zu müssen. Darunter fallen nicht nur Wecker und Timer, sondern auch beispielsweise, dass „jetzt“ ein Download abgeschlossen ist.

Küchentimer

02.4

3. Abschließende Nachricht

Beispiel: „SWOOSH“ – Email erfolgreich versendet
Feedback, das dem User signalisiert „Das wars, du musst dich nicht weiter damit auseinandersetzten!“ bieten sich ebenfalls gut an, klanglich erweitert zu werden. Der User kann anschließend seine Aufmerksamkeit wieder anderen Dingen widmen.

Apple Mail Swoosh

02.5

4. Konstant ändernde Information

Beispiel: Abstands-Piepser im Auto
Bei Informationen, die sich permanent ändern, wie z.B. Abstände, Verhältnisse oder Geschwindigkeiten, ist ein auditiver Indikator oft sehr hilfreich.

Audi Parksensor

02.6

5. Eingeschränkte Aufmerksamkeit

Beispiel: Navigationsgerät: „Jetzt rechts abbiegen“
Sound ist ein wichtiges Instrument Aufmerksamkeit zu lenken. Ist der User auf etwas anderes konzentriert, ist es durch Klänge möglich, den Fokus zu verschieben und Informationen zu vermitteln.

Navigationsgerät Stimme

02.7

6. Eingeschränkte Sicht

Beispiel: Feueralarm im gesamten Haus
Ist der User außer Sichtweite der Informationsquelle oder hat eine anderweitig eingeschränkte Sicht, können Töne wichtige Informationen vermitteln. Zusätzlich geben Geräusche dem User Orientierung und indizieren, wo er sich im Verhältnis zur Schallquelle befindet.

Rauchmelder

02.8

7. Aufmerksamkeit für komplexe Informationen:

Beispiel: Tonfolge vor einer Flughafen Ansage
Sounds helfen sehr die Aufmerksamkeit von Usern zu erlangen. Wenn es sich um komplexe oder wichtige Informationen handelt, kann eine Tonfolge die Nachricht ankündigen und so den User für die Relevanz der folgenden Information sensibilisieren.

Flughafenansage mit Signalton

02.9

Zusammenfassung

Selbstverständlich muss immer im Einzelfall darüber entschieden werden, welche Detailschritte einer User Journey durch das Hinzufügen von Sound verbessert werden können. Diese sieben Punkte stehen beispielhaft für Fälle, in denen sich die Verwendung von UX Sounds bewährt hat. Sicher gibt es nicht bei jedem Produkt oder Service eine förderliche Anwendung von Sound. Findet man allerdings die Nadel im Heuhaufen, liegt im Sounddesign eine große Möglichkeit die Experience nachhaltig zu verbessern und positiv zu verstärken.

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Konzept ist König

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Konzept
ist
König

03.01

Intro

Für ein herausragendes und vor allem effektives Sounddesign ist eine konzeptionelle Vorgehensweise unausweichlich. Genau wie in anderen Bereichen des UX Design muss zunächst die Zielgruppe und deren Probleme genau verstanden werden. Es ist wichtig, sich zu überlegen, welche Anforderungen die Zielgruppe an das Sounddesign stellt? Zudem müssen die Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel, die verwendeten Lautsprecher oder das direkte Umfeld der Rezipienten in der Konzeptionsphase bedacht werden.

03.02

Universelles Design

beschriebt Design, das für eine möglichst breite Nutzergruppe zugänglich und verständlich ist. Es ist essentiell, Themen wie Accessibility im auditiven Designprozess stets im Hinterkopf zu haben. Inklusives und barrierefreies Sounddesign muss allerdings nicht automatisch übermäßig laut oder schrill sein. Es kann zum Beispiel über die Existenz eines Mute Buttons entscheiden oder eine Vibrationsfunktion in Betracht ziehen. Zusätzlich helfen Gedanken zur Barrierefreiheit nicht nur beeinträchtigten Menschen, sondern jedem. Oft sind diese eine gute Möglichkeit die User Experience für die gesamte Nutzerschaft zu verbessern.
Die wahrnehmbaren Frequenzbereiche der Zielgruppe können zudem stark variieren. So sind Kinder wesentlich sensibler innerhalb der Frequenzbänder der menschlichen Stimme, als zum Beispiel für das hochfrequente Piepsen eines Rauchmelders. Auch bei einer älteren Zielgruppe muss man auf Grund von Hörverlust eine Anpassung der Frequenzen in Betracht ziehen.

03.03

Kontext ist King!

Mindestens genau so wichtig wie den User zu verstehen, ist es, den Kontext und das Umfeld zu erfassen, in welchem die Sounds vornehmlich wahrgenommen werden sollen. In welcher Situation befindet sich der Hörer? Was umgibt ihn? Welche Sinnesreize nimmt er sonst noch wahr? All diese Fragen können die Anforderungen und Herangehensweise an das Sounddesign massiv beeinflussen. In lauten Umgebungen können dumpfe oder leise Töne schnell überhört werden. Andererseits können in einer ruhigen Situation laute und schrille Sounds nervig und aufdringlich sein. Bei Produkten, die oft in verschiedenen Szenarien benutzt werden, kann man daher eine Lautstärkeregelung durch den User in Betracht ziehen.

4 verschiedene Soundlandschaften

03.04

Hardware

Lässt das Frequenzspektrum der verbauten Lautsprecher und die Umgebungslautstärke das Integrieren von Sound überhaupt zu?
Lautsprecher haben je nach Bauweise und Qualität unterschiedlich große Bandbreiten und entsprechende Möglichkeiten Klänge wiederzugeben. Das Frequenzspektrum des Lautsprechers, über den die Sounds abgespielt werden, kann somit einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Users haben. Die Bandbreite (das maximal mögliche Frequenzspektrum) hängt vorrangig von der Große des Lautsprechers ab. Ferner hat auch das Dateiformat bzw. die digitale Komprimierung Einfluss auf den Sound.

Versuche es selbst! Fahre mit der Maus über die Balken, um die Unterschiede zwischen den Abspielgeräten zu hören.

Piezo Summer
(2 kHz – 10 kHz)

Telefon Verbindung
(300 Hz – 3,4 kHz)

Handy Lautsprecher
(200 Hz – 15 kHz)

Laptop Lautsprecher
(100 Hz – 15 kHz)

Hi-Fi Anlage
(20 Hz – 20 kHz)

03.05

Multimodales Design

Es ist wesentlich, sich innerhalb der User Journey immer wieder zu fragen, welchen Mehrwert Klänge in diesem speziellen Szenario haben. Gegebenenfalls können visuelle Informationen auf auditive oder haptische Reize „umcodiert“ oder durch diese erweitert werden. Die Informationsübermittlung über mehrere Sinne nennt man Multimodales Design.
Beispiel: Handy klingelt, vibriert und blinkt bei eingehendem Anruf. Durch das gleichzeitige senden von Reizen auf mehreren Sinneskanälen, unterstützt man den User beim Verarbeiten des Signals. Multimodales Design hilft dem User sehr, wenn beispielsweise ein Kanal anderweitig „belegt“ ist. Beispiel: Blinker mit Klack-Geräusch und Lichtsignal während der Fahrer seine Augen auf den Straßenverkehr richtet. Zusätzlich unterstützt Multimodalität in der Informationsvermittlung selbstverständlich auch die oben genannte Barrierefreiheit.

Klingelton mit Vibration

03.06

Sonifikation

In den allermeisten Fällen von UX Sounds sind die Sounds, die man hört, codiert. Das heißt sie haben eine bestimmte semantische Wirkung oder Bedeutung. In beiden Fällen haben sie allerdings keinen direkten Zusammenhang zu der vermittelten Information. Im Gegensatz dazu, beschreibt Sonifikation die direkte „Verklanglichung“ von Informationen. Ein medizinischer Überwachungsmonitor erzeugt zum Beispiel ein akustisches Signal bei jedem Herzschlag des Patienten. Es gibt also keinen codierten Sound, der sagt „dem Patienten geht es gut“, sondern durch ein wiederkehrendes Audiosignal wird die aktuelle Herzfrequenz genau abgebildet. Durch Sonifikation von Daten oder Informationen kann das Sounddesign so wesentlich expressiver und kommunikativer werden.

03.07

Individualisierung

Keine Scheu vor einem Mute-Button! In vielen Situationen kann ein einfaches Ausschalten der Sounds sehr hilfreich sein. Die auditive Wahrnehmung ist hochgradig subjektiv. Assoziationen oder persönliche Empfindungen von Sounds können stark schwanken und sich zudem über einen Zeitraum hinweg verändern. Daher ist es sinnvoll dem Nutzer so viel Freiraum wie möglich über die Klänge seines Produkts zu geben. Die Anpassung der Lautstärke und eine Auswahl von Sounds oder Sound-Schemes helfen dem User sein Produkt zu individualisieren und auf seine Hörgewohnheiten anzupassen.

03.08

Gesetzliche Vorschriften

Die klangliche Gestaltung von Produkten unterliegt gelegentlich gesetzlichen Vorschriften, die schon in der Konzeption bedacht werden müssen. Anders als beim visuellen Design gibt es zum Beispiel vorgegebene Restriktionen bei der Lautstärke von Sounds in Kraftfahrzeugen oder Richtlinien von Frequenzen in der Medizintechnik.

03.09

Audio-Map

Bei Designprojekten in größeren Teams, ist das Erstellen einer Audio-Map für einen besseren Überblick und ein einheitliches Verständnis der Aufgabe sehr hilfreich und empfehlenswert. Darin werden alle Schritte und Zustände eines Produkts mit dem dazugehörigen Sound aufgelistet. Das mag selbstverständlich klingen, doch eine derartige übersichtliche Auflistung führt zu einem wesentlich strukturierterem und effektiverem Arbeiten.

03.10

Zusammenfassung

Für ein erfolgreiches und zielführendes Sounddesign eines Produkts, eines Services oder eines Interfaces, ist die konzeptionelle Herangehensweise extrem wichtig. Durch universelles und multimodales Design können die Anforderungen für eine Vielzahl von Usern erfüllt werden. Mittels einer übersichtlichen Audio-Map behält man einen strukturierten Überblick über das Projekt. Beachtet man das auditive Umfeld, das Wiedergabemedium sowie gegebenenfalls gesetzliche Vorschriften, steht einem erfolgreichen Sounddesign-Konzept nichts mehr in Weg.

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"Bumm! Clack! Bling!"

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Bumm!
Clack!
Bling!

04.1

Intro

Temperamentvoll, rau, anschwellend, vergnügt,…
Die deutsche Sprache hält eine ganze Menge Wörter bereit, mit denen man Sounds beschreiben kann. Trotzdem kann dies oftmals zu Unsicherheiten oder Missverständnissen führen. Komplexe Klänge in Worte zu fassen ist nicht einfach. Vor allem nicht, wenn man in einem Projektteam zwischen Kunden, Sounddesigner*Innen und Entwickler*Innen kommuniziert. Um Missverständnisse zu vermeiden ist deshalb eine einheitliche Sprache sehr vorteilhaft.

04.2

Das Problem

Auditive Wahrnehmung ist sehr subjektiv. Die Unterschiede im Empfinden von Sounds können deshalb wesentlich stärker variieren als bei visuellem Design. Spricht man von einem „dunkelgrünen Dreieck mit abgerundeten Ecken“, hat das Gegenüber ein relativ konkretes Bild im Kopf. Spricht man im Sounddesign allerdings zum Beispiel von einer „glasig pulsierenden Dissonanz“, sind die Vorstellungen wahrscheinlich ziemlich unterschiedlich.

04.3

Tipp 1: Nutze deinen
Körper

Mund, Rachen, Nase und Lippen stecken voller Überraschungen. Also keine falsche Scheu! Bevor man lange um den heißen Brei herum redet, kommt man oft schneller zum Ziel, wenn man seine Gedanken versucht in tatsächliche Klänge zu verwandeln. Auch wenn das Ergebnis nicht hundertprozentig das trifft, was man meint, hat man anschließend doch eine einheitliche Gesprächsgrundlage für alle Beteiligten.

"Hidden Folks": Ausschließlich mit dem Mund vertontes Computerspiel.

04.4

Tipp 2: Genauigkeit

Umso präziser die Aussage, desto unwahrscheinlicher ein Missverständnis. Unterteilt man ein Geräusch in seine Teilaspekte wie zum Beispiel Timing, Tonhöhe, Klangfarbe, etc., ist eine differenzierte und zielführende Aussage besser möglich.

04.5

Tipp 3: Vergleiche

Vergleicht man in seinem Argument einen Sound mit einem allgemein bekannten Geräusch, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Gesprächspartner weiß, was gemeint ist. „Das klingt wie das Zuschlagen einer Autotür.“ Vergleichbare, gemeinhin bekannte Klänge, können eine gute Grundlage für ein Gespräch über Sounds sein. Hat man diese allerdings nicht im Ohr, kann die persönliche Empfindung die Erinnerung verfälschen.

04.6

Hier eine Auswahl von Wörtern, die bei der genaueren Beschreibung von Sounds helfen können.

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Weiter zu Kapitel 05:
Mit Hertz und Hirn

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Mit
Hertz
und
Hirn

05.1

Intro

Ein grundlegendes Verständnis über Sounddesign erfordert etwas physikalisches Verständnis. Aber keine Angst: es ist nicht schlimm, geht ganz schnell und ist dabei auch noch ziemlich interessant.
Versprochen!

05.2

Hören

Töne sind Wellen. Nicht die Wellen am Strand, sondern Wellen in der Luft. Bekommt ein Lautsprecher ein elektronisches Signal, wird durch einen Magneten die Lautsprechermembran in Schwingung versetzt. Dadurch „schwingt“ auch die Luft vor der Membran. Bei tiefen Tönen, spürt man die Luftschwingungen auch mit der Hand. Diese Schallwellen bewegen sich nun mit ca. 1200 km/h dreidimensional durch den Raum, bis sie irgendwann auf eine Wand, ein Objekt oder ein menschliches Ohr treffen. Bildlich kann man sich die Ausbreitung wie ein Tropfen auf einer stillen Wasseroberfläche vorstellen. Nur eben in 3D. Im Ohr passiert das Gleiche nun rückwärts, nur dass anstatt der Membran des Lautsprechers, jetzt das Trommelfell schwingt. Die Schallwellen in der Luft werden vom Trommelfell aufgenommen, über Nervenbahnen transportiert und im Gehirn zu sinnvollen Informationen zusammengesetzt.

Akustischer Schall ist dadurch, dass er über die Luft übertragen wird, also immer analog. Anders als bei Pixeln auf einem Screen wird Sound durch unser Umfeld, sowie die eigene Ohrmuschel reflektiert, gefiltert und beeinflusst, bevor die Wellen unser Innenohr erreichen. Leider sind also penibel designte Sounds kurz nach der Quelle (dem Lautsprecher) und kurz vor Ziel (dem Trommelfell) nicht mehr exakt die Gleichen. Diesen großen Unterschied zum visuellen Design darf man im Designprozess nicht vergessen.

05.3

Wellenformen

Es gibt 4 grundlegende Wellenformen. Sinus (sinus), Rechteck (square), Dreieck (triangle) und Sägezahn (saw). Jede Wellengrundform hat ihren eigenen charakteristischen Klang. Erklingen zwei oder mehrere Wellen gleichzeitig, überlagern und verstärken sich ihre Amplituden. Trifft ein positiver Ausschlag auf einen Negativen, löschen sich die Wellen gegenseitig aus. Durch das präzise Kombinieren und Übereinanderlegen von Wellenformen, kann theoretisch betrachtet, jedes erdenkliche Geräusch generiert werden.

Fahre mit der Maus über die Wellenformen und finde heraus wie sie klingen.

05.4

Einheiten

Die Tonhöhe eines Sounds wird durch die Geschwindigkeit der Schwingung – also der Frequenz – beeinflusst. Je schneller die Schwingung, desto höher der Ton. Die Frequenz wird in der Einheit Hertz (Hz) angegeben. Ein Hertz bedeutet eine Schwingung pro Sekunde. Gesunde Ohren können einen Frequenzbereich von ca. 20 Hz bis 20.000 Hz wahrnehmen.
Die Lautstärke von Tönen wird durch die Amplitude definiert, also wie stark die Luft schwingt. Dieser so genannte Schalldruckpegel wird in Bel (B) bzw. in Zehntel-Bel – Dezibel (dB) angegeben. Der leiseste Ton, den ein Mensch hören kann liegt bei 0 dB. Bis 50 dB sind Lautstärken für Menschen angenehm, wohingegen bei etwa 100 dB die Unbehaglichkeitsschwelle und bei rund 120 dB die Schmerzgrenze erreicht ist.

05.5

Aufgepasst

Dezibel bilden den physikalischen Schalldruck ab – nicht die empfundene Lautstärke. So sind 100 dB nicht doppelt so laut wie 50 dB. Die Wahrnehmung der Lautstärke ist immer subjektiv und hängt vom eigenen Hörvermögen ab. Grundsätzlich kann man sagen, dass eine Zunahme von 10 dB etwa einer gefühlten Verdopplung der empfundenen Lautstärke entspricht. Dementsprechend wären zum Beispiel 60 dB gefühlt doppelt so laut wie 50 dB.

05.6

Lautstärke

Die perfekte Lautstärke von UX Sounds ist extrem wichtig. Die besten Klänge werden unerträglich, wenn sie zu laut sind oder sinnlos, wenn sie zu leise sind.
Generell gilt „So leise wie möglich, so laut wie nötig“. Vor allem kurze Feedback Sounds können oft leiser sein, als man denkt. So leise, dass man den Sound mehr fühlt als bewusst hört. Kurze und einfache Klänge werden durch ihre geringere Wichtigkeit automatisch leise eingeschätzt. Klingeltöne wirken dementsprechend durch ihre Länge und Komplexität automatisch lauter.
Zudem sollte die Lautstärke so angepasst sein, dass je nach Usecase nur der User den Sound hören kann und nicht andere Menschen dadurch gestört werden.

05.7

Zusammenfassung

Akustischer Schall ist nichts anderes als Luftschwingungen, die sich dreidimensional durch den Raum bewegen. Erzeugt von einer schwingenden Lautsprechermembran und gehört durch ein schwingendes Trommelfell im Ohr. Wichtig ist, dass sich die Schallwellen je nach Frequenz unterschiedlich schnell und weit durch die Luft ausbreiten. Erzeugt man zum Beispiel mit einem Synthesizer einen Ton, gibt es verschiedene Wellengrundformen mit charakteristischen Sounds. Durch das Überlagern von Wellen können sich diese verstärken oder auslöschen.
Akustische Schallwellen werden immer vom direkten Umfeld reflektiert und somit beeinflusst. So ist Schall immer analog und vom Umfeld des Users abhängig.

Klicke auf die Kreise um die Sounds abzuspielen.

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Weiter zu Kapitel 06:
Harmonisch, praktisch, gut!

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Harmonisch,
Praktisch,
Gut!

06.1.00

Intervalle

In der gesamten westlichen Musik gibt es 12 Töne. Diese 12 Töne bilden eine Oktave. Den Abstand zweier Töne nennt man Intervall. Erklingen nun zwei oder mehrere Töne gleichzeitig, so kann dieses Intervall harmonisch oder nicht harmonisch, also dissonant klingen.
Da diese 12 Töne uns tagtäglich umgeben, sind unsere Ohren sehr auf besagte Intervalle konditioniert. Im UX Sounddesign kann man diese Hörgewohnheiten nutzen, um bewusste Aussagen zu treffen. Es können Intervalle mit bestimmten Assoziationen gezielt benutzt werden, um Erwartungshaltungen der User zu bedienen und unterbewusst Informationen zu vermitteln.

06.1.01

Die kleine Sekunde

ist eine so genannte „scharfe Dissonanz“ in der Harmonie. Sie klingt schrill und beißend, aber auch tragisch oder weinend. Die kleine Sekunde sorgt für Spannung und wird häufig für harmonische Auflösungen verwendet.

Versuche es selbst und spiele die kleine Sekunde mit deiner Tastatur:

06.1.02

Die große Sekunde

ist das meist verbreitetste und universellste Intervall in der Musik. Parallel gespielt ist es dissonant und spannungsgeladen. Innerhalb einer Melodie kann es aber auch wohlklingend und weich charakterisiert werden.

Spiele die große Sekunde mit deiner Tastatur:

06.1.03

Die große und kleine Terz

sind die wichtigsten Intervalle in der Musik. Beide klingen ruhig und melodiös. Sie entscheiden über eine bestimmte Dur- und Mollfärbung. Die kleine Terz klingt weich und traurig. Die große Terz klingt dagegen freundlich und schön. Sie gibt dem Intervall einen hellen Charakter.

Spiele die kleine Terz und die große Terz mit deiner Tastatur:

06.1.04

Die reine Quarte

klingt majestätisch, feierlich und harmonisch. Besonders durch die Nutzung im Auftakt schafft sie ein Gefühl von Feierlichkeit, wie bei einer Hymne.

Spiele die reine Quarte mit deiner Tasatur:

06.1.05

Die verminderte Quinte

oder auch „Tritonus“ oder auch „das Unheil verkündende Intervall“. Der Tritonus klingt dissonant, spannungsvoll und beängstigend. Die enorme Spannung dieses Intervalls resultiert aus seiner Lage genau in der Mitte der Tonleiter.

Versuche es selbst und spiele den Tritonus mit deiner Tastatur:

06.1.06

Die Quinte

klingt neutral und sachlich, um nicht zu sagen leer. Man empfindet sie als harmonisch, daher wird sie für die Bildung der akustischen Atmosphäre innerhalb eines Akkordes verwendet.

Auch die Quinte kannst du mit deiner Tastatur spielen:

06.1.07

Die kleine und große Sexte

sind Umkehrintervalle zu den Terzen und haben ähnliche Eigenschaften. Die Sexten verstärken die melodische Spannung und Ausdruckskraft einer Melodie.

Spiele die kleine Sexte und die große Sexte mit deiner Tastatur:

06.1.08

Die kleine Septime

ist als der Teil des Dominantseptakkordes sehr verbreitet und wird für die Bildung der leichten Dissonanzen verwendet. Häufig findet sie im Jazz ihre Anwendung.

Versuche es selbst und spiele die kleine Septime mit deiner Tastatur:

06.1.09

Die große Septime

ist eine scharfe Dissonanz. Sie klingt spannend und finster. Häufig wird sie als zweite Stimme wahrgenommen und kann zur Auflösung zum nächsten Grundton benutzt werden.

Spiele die große Septime mit deiner Tastatur:

06.1.10

Die Oktave

ist nun wieder der gleiche Ton wie der Grundton und somit eine so genannte „perfekte Konsonanz“. Eine Oktave hat immer ein Frequenzverhältnis von 1:2 und klingt daher sehr rein und harmonisch.

Versuche es selbst und spiele die Oktave mit deiner Tastatur:

06.1.11

A - Grundton
W - Kleine Sekunde
S - Große Sekunde
E - Kleine Terz

D - Große Terz
F - Reine Quarte
T - Verminderte Quinte
G - Quinte

Z - Kleine Sexte
H - Große Sexte
U - Kleine Septime
J - Große Septime
K - Oktave

06.2

Reihenfolge

Es ist unmöglich, einen Ton getrennt von seiner harmonischen Begleitung zu betrachten. Sehr entscheidend für die semantische Bedeutung von Intervallen ist deren Reihenfolge. Das gleiche Intervall kann nur durch die Umkehrung der Tonreihenfolge eine komplett gegensätzliche Bedeutung haben. Generell werden aufsteigende Intervalle als positiv und bestätigend empfunden. Absteigende Intervalle klingen negativ und abschließend. Gleichzeitig gespielte Intervalle können ihre semantische Wirkung nur über die Klangfarbe übermitteln und somit verschiedene Bedeutungen haben.

Windows XP USB Kopplung und Entkopplung

06.3

Rhythmus

Auch über den Rhythmus eines Sounds wird immer eine semantische Information übermittelt. Über die rhythmische Codierung kann vor allem die Priorität des Signals oder der Information beeinflusst werden. „Schnelle“ rhythmische Sounds vermitteln eine hohe Dringlichkeit, wo hingegen „langsamen“, flächigeren Sounds eine niedrige Priorität zugeordnet wird. Vor allem für Microinteractions bieten sich rhythmische und percussive Sounds gut an. Tonale Melodien tragen mehr semantische Bedeutung und bieten sich daher besser für Notifications an.

Slack Notification

06.4

Emotionen

Das Gehör ist unmittelbar mit unseren Stimmungen verbunden. Entsprechend emotional gefärbt ist das Hören der meisten Menschen. Vor allem akustische Reize haben im Vergleich zu anderen Sinneseindrücken beim Empfänger eine starke emotionale und dadurch verhaltensbestimmende Wirkung. Im Auditiven Cortex, dem Hörzentrum im Hirn, werden emotionale Sinneseindrücke schon auf einer sehr frühen Verarbeitungsebene verstärkt interpretiert. Leider sind diese emotionalen Wirkungen höchst subjektiv und deshalb nur schwer messbar. Frequenzen, Intervalle, Lautstärke oder Umgebungsgeräusche können die emotionale Wirkung beeinflussen.

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Weiter zu Kapitel 07:
Eine Farbpalette voller Klänge

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Die
Sprache
der
Marke

07.1

Intro

Jeder Sound, den ein Produkt von sich gibt oder den man beim Benutzen hören kann, wird automatisch mit der Marke assoziiert. Das Sounddesign ist die „Sprache des Produkts“ und somit auch die Sprache der dahinter stehenden Marke. Gibt es also schon eine Klangwelt, mit der man die Marke in Verbindung setzt, sollten diese Anforderungen für den User erfüllt werden. Man muss sich bewusst sein, mit Sounddesign die Markenwahrnehmung beeinflussen zu können.

07.2

Audio-Logo

Das Designen eines Audio-Logos geht zwar über den Rand des UX Sounds hinaus, sollte aber nicht außer Acht gelassen werden. In den UX Sounds können sich Elemente aus dem Audio-Logo wiederfinden, um ein konsistentes Markenerlebnis zu schaffen. Ein hervorragendes Beispiel ist dafür die Tagesschau App. Die unikate Tagesschau-Musik kennt jeder. Der charakteristische Gong steht für Pünktlichkeit, Seriosität und Fakten. Aktiviert man in der App die Notifications, so ist der voreingestellte Nachrichtenton genau dieser bekannte Gong. Nur durch diesen einen Sound wird die angemessene Tonalität und Markenpersonalität kommuniziert.

Tagesschau Intro

07.3

Designsytem

Genau wie beim visuellen Interface Design ist es auch beim Sound ratsam, für Kontinuität und einheitliches Design mit einem System zu arbeiten. Um die Zusammengehörigkeit von mehreren Sounds innerhalb eines Produktes zu gewährleisten, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

1   Gleicher Klang & Andere Töne
Das können zum einen verschiedene Melodien oder umgekehrte Intervalle sein. Zum anderen können auch ganze Komponenten neu arrangiert werden.

2   Gleiche Töne & Anderer Klang
So kann beispielsweise die Kontinuität über mehrere Produkte einer Marke hinweg gestaltet werden.

3   Arbeiten in festen Rastern
Einerseits können rhythmische Raster (16-tel, Triolisch, etc.) Sounds zusammenführen, andererseits können harmonische Raster (z.B. nur Oktaven) mehrere Klänge vereinheitlichen.

07.4

Aufgepasst

Nicht nur das bewusst hinzugefügte Sounddesign ist die „Stimme des Produkts“. Jedes mechanische Geräusch, das das Produkt beim Benutzen macht, wirkt auf den User ein. Mechanisches Sounddesign ist vor allem vor dem Hintergrund der Markentonalität sehr wichtig. Nicht zuletzt fließt daher z.B. in der Autoindustrie ein extrem hoher Entwicklungsaufwand in das Sounddesign von Autotüren.

Zuschlagen einer Autotür

07.5

Zusammenfassung

UX Sounds sind die „Sprache des Produkts“ und somit essentiell bei der Wahrnehmung der dahinter stehenden Marke. Durch ein definiertes Designsystem aus Sounds, Tönen bzw. Melodien und Rhythmen schafft man Kontinuität und Wiedererkennbarkeit. Zudem spielt mechanisches Sounddesign für die Markentonalität eine wichtige Rolle.
Eines der besten Beispiele für konsistente UX Sounds ist Skype. Die Themen Wasser, Blasen, etc. werden sowohl visuell als auch auditiv stringent vermittelt. Die Sounds harmonieren sowohl miteinander, als auch mit der visuellen Designsprache.

Skype Sounds

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Weiter zu Kapitel 08:
"Musik aus, ich will einparken"

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Musik
aus,
ich
will
einparken!

08.1

Intro

An dieser Stelle verlassen wir den Designprozess von UX Sounds und machen einen kleinen Exkurs zum Thema Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Für ein besseres Grundverständnis ist es wichtig, zu verstehen, wie Geräusche wahrgenommen werden. Dies kann Entscheidungen im Designprozess beeinflussen.

08.2

Das Ohr

Die Signalkette, wie ein Audiosignal seinen Weg über den Lautsprecher und die Luft bis in unser Ohr findet, wurde in Kapitel 05 Frequenz & Physik skizziert. An dieser Stelle betrachten wir das Ohr einmal genauer.
Wenn wir ein Geräusch oder einen Ton hören, werden die Schallwellen an der Ohrmuschel reflektiert und gelangen anschließend durch den Hörkanal zum Trommelfell. Wenn man mit der Handfläche die Ohrmuschel künstlich vergrößert, werden mehr Schallwellen reflektiert und das Geräusch wird lauter.

08.3

Wahrnehmung

Temporäre Hinweise
Wenn eine Schallwelle das eine Ohr früher als das andere erreicht, spricht man von temporären Hinweisen. So können wir zweidimensional um uns herum wahrnehmen, von wo das Geräusch kommt. Trotz der Tatsache, dass Schallwellen sich mit ca. 340 m/s durch die Luft bewegen, ist der Mensch sehr gut darin, diese geringen Abstände wahrzunehmen und Sounds zu orten.

Spektrale Hinweise
Wie schon genannt, werden die Schallwellen von der Ohrmuschel reflektiert. Je nach dem, von wo die Wellen auf die Ohrmuschel treffen, hat dieses reflektierte Geräusch minimale Unterschiede im Frequenzbereich. Aufgrund dieser leichten Veränderung im Klangbild kann der Mensch erkennen, ob der Sound zum Beispiel von vorne oder hinten bzw. unten oder oben kommt.
Hunde können zum Beispiel nicht diese marginalen Änderungen im Frequenzband wahrnehmen. Sie helfen sich allerdings dagegen, indem sie ihren Kopf zur Seite legen. Auf diese Weise verschieben sie die Achse der Wahrnehmung und können auch durch oben genannte temporäre Hinweise hören, ob ein Geräusch eher von oben oder unten stammt.

Fahre mit deiner Maus über den Kreis. Aber bitte mit Kopfhörern – sonst klappts nicht.

08.4

Timing

Das Timing von UX Sounds kann sehr große Auswirkungen auf deren Wahrnehmung haben. In den meisten Fällen und vor allem bei Microinteractions ist ein schnelles und direktes Feedback mit möglichst geringer Verzögerung gewünscht. In seltenen Fällen kann man Feedback Sounds auch bewusst später triggern. Der Apple Mail Sound ist zum Beispiel etwas verzögert, um den abschließenden Charakter zu unterstützen und Emails mit kleiner Dateigröße eine Wichtigkeit zu geben. Ab ca. 500 Millisekunden Verzögerung ist es für den User schwer, seine Interaktion noch mit dem Sound in Verbindung zu bringen.

Klicke auf die roten Punkte um die Samples zu triggern! Die gelben Punkte zeigen jeweils die Verzögerung, wann der Sound tatsächlich abgespielt wird.

08.5

Aufmerksamkeit

Leider verfügt jeder Mensch nur über begrenzte kognitive Ressourcen. Aufmerksamkeit bedeutet, diese Ressourcen auf einen oder mehrere Inhalte zu verteilen. Je mehr Inhalte unsere Aufmerksamkeit gleichzeitig in Anspruch nehmen, desto weniger Aufmerksamkeit kommt jedem einzelnen dieser Inhalte zugute. Zudem lässt sich sagen, je ähnlicher diese Inhalte sind, desto schwerer ist es für uns, sich auf mehrere Dinge zu konzentrieren. Beispiel: Es gelingt uns leichter beim Autofahren mit dem Beifahrer zu sprechen, als zu telefonieren und gleichzeitig einer anderen Person zuzuhören.
Ein multimodaler Ansatz ist also bei zu vielen Reizen sehr wichtig. Dabei werden Sound-Signale auf verschiedene andere Sinne „ausgelagert“, wie zum Beispiel auf den Sehsinn mittels einer Signalleuchte.

08.6

Repetitive Toleranz

Das Limit, wie oft man einen Sound hören kann, bevor man ihn als unangenehm wahrnimmt, nennt man repetitive Toleranz. Hierfür gibt es eine Richtlinie: Je harmonischer, komplexer und länger ein Sound ist, desto schneller wirkt er lästig und störend.

Die repetitive Toleranz ist insgesamt bei der auditiven Wahrnehmung wesentlich geringer als beispielsweise bei der Visuellen. Das bedeutet, der Mensch ist bei vielen und lauten Tönen sehr viel schneller genervt oder überfordert, als bei einem sehr überladenem Screendesign. Je mehr Sounds also in einer Anwendung zu hören sind, desto zurückhaltender sollte jeder einzelne sein. Die Konsequenz bei Nichtbeachtung solcher Regeln kann dazu führen, dass der Ton, wenn möglich, komplett ausgeschaltet wird oder ein Produkt ungerne benutzt wird.

08.7

Zusammenfassung

Unser Hörapparat ist beeindruckend. Die menschliche Ohrmuschel reflektiert die Schallwellen in den Hörkanal und durch temporäre und spektrale Hinweise können wir genau orten, von wo ein Geräusch kommt. Unsere kognitiven Ressourcen sind begrenzt. So muss man sich bewusst machen, dass je mehr Inhalte unsere Aufmerksamkeit gleichzeitig in Anspruch nehmen, entsprechend weniger Aufmerksamkeit jedem einzelnen dieser Inhalte zukommt. Auch Aspekte der repetitiven Toleranz, sowie dem Timing von Sound sind für erfolgreiches Sounddesign wichtig und im Designprozess zu beachten.

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Beispiel:
Soundesign

Schritt 1

Intro

Von der Theorie zur Praxis. In diesem speziellen Kapitel gehen wir exemplarisch den UX Sounddesign Prozess von vorne bis hinten durch. Als Beispiel nutzen wir den fiktionalen Bluetooth Lautsprecher „X.amp.L“.

X.amp.L ist eine sportlich moderne Marke. Die Box befindet sich im unteren Preissegment, ist wasserdicht und somit optimal zum Mitnehmen ins Freie geeignet. Das moderne Design in verschiedenen Farben macht die Box zusätzlich zum Hingucker.

Schritt 2

Brauche ich Sound?

Einfache Antwort: Ja! Auditives Feedback erleichtert in diesem Fall die Benutzbarkeit der Box immens, da sie über kein Display oder Ähnliches verfügt.

Schritt 3

Konzeption


1   Von wem und wo wird die Box genutzt?
Zielgruppe sind musikaffine junge Leute, die ihre Musik gerne zum Beispiel mit zum Sport nehmen. Perfekter Sound spielt bei ihnen eine weniger wichtige Rolle als ein günstiger Preis.
Durch das kompakte und wasserfeste Design wird die Box oft mitgenommen. Für das Sounddesign bedeutet das, die Sounds müssen auch bei Umgebungsgeräuschen gut hörbar sein. Außerdem sollten sie modern und sportlich klingen.

2   Hardware
Auch wenn die Bluetooth Box in diesem Preissegment keinen High-End Lautsprecher eingebaut hat, deckt sie den hörbaren Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz ausreichend. Aufgrund der Hardware gibt es also zunächst keine Einschränkungen.

3   Audiomap
In der Audiomap erfassen wir alle Funktionen und Zustände der Box, in denen es einen Sound geben soll.

Schritt 4

Sounddesign

Aufgrund der modernen und energetischen Tonalität entscheiden wir uns für einen synthetischen Grundsound bzw. Klangfarbe. Das sportliche Image der Box kann durch einen rhythmischen und percussiven Sound vermittelt werden.

Gedoppelter Sound aus Bass & Synthesizer


Harmonie
Für Power-on empfiehlt sich in diesem Fall ein prägnantes aufsteigendes Intervall. In diesem Fall eine Quinte, gefolgt von der Oktave. Die Töne sind also C - G - C' (auf der Computertastatur die Tasten A - G - K).

C - G - C'


Der Power-off Sound soll nun die gegenteilige Information vermitteln. Daher besteht diese kleine Melodie absteigend aus der kleinen Sexte, der Quinte und dem Grundton. G# - G - C (auf der Tastatur Z - G - A). Beide Melodien bestehen nun aus drei unterschiedlichen Tönen in genau dem gleichen rhythmischen und harmonischen Raster.

G# - G - C

Schritt 5

Designsystem

Um die Zusammengehörigkeit und Einzigartigkeit der Sounds zu verstärken, fügen wir an dieser Stelle verschiedene andere Instrumente hinzu, um dem Sound mehr Charakter zu geben. An all diesen Instrumenten und Effekten kann man sich für die weiteren Sounds des Produkts natürlich bedienen. Auf diese Weise klingen alle Sounds zusammengehörig.

Zunächst etwas harmonisches Füllmaterial in Form eines weichen „Pad Sounds“.

Power-on mit Harmonien


Anschließend ein paar Percussions, um die rhythmische Anmutung zu verstärken:

Power-on mit Harmonien und Percussion


Und zu guter Letzt runden wir den Sound durch diverse Effekte ab. An dieser Stelle gibt es die Möglichkeit für einen ausgewogenen satten Klang, das gesamte Frequenzspektrum zu bespielen.

Fertiger Power-on Sound mit Effekten

Schritt 6

Fertig!

Natürlich wurde der gesamte Prozess hier etwas abgekürzt, aber überträgt man diese Vorgehensweise nun auf weitere Sounds der Box oder sein eigenes Projekt, kommt man schnell zu einem Ergebnis, das sich hören lassen kann.
Hier noch einmal mein Sounddesign für die moderne und sportliche Bluetooth Box „X.amp.L“

Power-on


Power-off


Pairing Mode


Connected


Akku leer

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Fabian Kargl

Für Feedback, Anregungen, nette Worte oder auch alles andere gerne per Mail direkt an
uxsound@fabiankargl.de

Dieses Projekt entstand im Rahmen meiner Bachelorarbeit für den Studiengang Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim im Sommersemester 2020.
Besonderer Dank geht daher an Christian Schäfer und Ronald The für die Unterstützung, sowie Jonathan Brunner für den Beistand im Podcast.

Alternativ bin ich folgendermaßen im Internet zu finden:
Website
Linked-in
Behance

Die Illustrationen entstanden auf der Basis von Ghost Builder.
Einige der Beispiel Sounds kommen von freesound.org. Hier lohnt es sich auf jeden Fall auch für eigene Projekte Ausschau zu halten.
Viele fachliche Informationen auf dieser Website stammen aus dem wunderbaren Buch Designing with Sound von Amber Case. Wer hier also nicht genug bekommt, schaut da am besten mal rein.


Benutze die markierten Tasten auf deiner Tastatur...

...und wechsel den Sound!


Mit Kopfhörern
klingts besser!

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